Eine Zierde für den Verein

Marieluise Fleißers Roman spielt in der deutschen Provinz, noch vor der Machtergreifung der Nazis, aber bereits in der atmosphärischen Unruhe der Radikalisierung. Hier verlieben sich der Zigarrenladeninhaber und Sportschwimmer Gustl Gillich und Frieda Geier, Vertreterin für Mehl und selbstbewusste Einzelgängerin, ineinander. Die Zeiten sind hart, karg und voller Konkurrenz. Dennoch sind die beiden sich Ablenkung und Vergnügen, bis Gustl Anspruch auf Friedas Erbe und Arbeitskraft erhebt. Schweren Herzens trennt sich Frieda, die erkennt, dass sie beide unterschiedliche Visionen vom guten Zusammensein haben. Gustl, überfordert und unfähig zur Trauer, stählt seinen Körper und versammelt seinen Schwimmklub als prä-nationalsozialistischen und misogynen Männerbund um sich. Der Sportverein lebt auf und wird zur realen Bedrohung für Frieda.
Marieluise Fleißer verarbeitet in dem Roman ihre Ehe mit Bepp Haindl: ein Krauler und Tabakwarenhändler, in dessen Geschäft und Haushalt ihre ganze Arbeitskraft floss. Erst nach Haindls Tod kann Fleißer wieder zum Schreiben finden, und durch ihre Schreibpraxis werden die Begebenheiten sortiert und in ein neues Licht gerückt.
Fleißers Roman ist 1931 erstmals erschienen. Der Dramatiker Christoph Nußbaumeder hat für das Theater Ingolstadt 2011 eine Bühnenfassung erarbeitet, die dort zur Uraufführung kam. Zudem gibt es für Theater die Möglichkeit, eine jeweils eigene Fassung des Romans zu erstellen. Alina Fluck, Regieabsolventin der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, hat das im Rahmen ihrer Diplominszenierung zusammen mit der Dramaturgin Kundry Reif getan. Sie beschreibt hier, was sie an Fleißers Roman für unsere Gegenwart interessiert hat. 

»Dieser Prozess in Fleißers Erzählung von der Idealisierung romantischer Liebe hin zur ökonomischen Beziehung und Konfrontation mit der kapitalistischen Wirklichkeit hat mich interessiert. Auch heute beobachte ich, dass Frauen in Teilzeit gehen, unbezahlte Carearbeit leisten und später unter Altersarmut leiden. Zudem beleuchtet Fleißer in dem Roman die Nähe zwischen Sport und Faschismus. Der lokale Schwimmverein wird in den späten zwanziger Jahren zu einem Sammebecken für die männlichen jungen Erwachsenen vor Ort, die aufgrund von Inflation und Arbeitslosigkeit einer perspektivlosen Zukunft entgegenblicken. Ihre persönliche Not macht sie empfänglich für Ressentiments, ihr Hass richtet sich gegen das ihnen Fremde. Auch hier sehe ich Parallelen zu heute.«

Alina Fluck, Regisseurin

»›Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man Widrigkeiten vermeidet, indem man vor der Widrigkeit kehrt macht‹, hat Marieluise Fleißer vor 50 Jahren in einem Brief an ihren Neffen geschrieben. Sie soll einen sehr aufrechten und zugleich geschmeidigen Gang gehabt haben. Jetzt ist sie 40 Jahre tot, man muss die Erinnerung an sie wachhalten. Von Marieluise Fleißer lernen heißt lernen, sich durchzubeißen, ohne zu verbittern.«

Christoph Nußbaumeder

Marieluise Fleißer, 1901 in Ingolstadt geboren und dort 1974 gestorben. Marieluise Fleißer, die »größte Dramatikerin des 20. Jahrhunderts« (Elfriede Jelinek), wurde – nach frühen Erfolgen im Umfeld Brechts – in den Sechzigerjahren von jungen Theaterautoren wie Rainer Werner Faßbinder und Franz Xaver Kroetz wiederentdeckt. Ihre Stücke wurden erneut gespielt, und endlich nahm ein größeres Publikum sie auch als Erzählerin wahr, obschon Walter Benjamin bereits früh die Prosa Marieluise Fleißers als »Kunstmittel ersten Ranges« erkannt und Alfred Kerr ihr Werk schlicht »einen...
Marieluise Fleißer, 1901 in Ingolstadt geboren und dort 1974 gestorben. Marieluise Fleißer, die »größte Dramatikerin...
Autorenfoto zu Marieluise Fleißer

Stücke


In der vermeintlichen Idyllik einer deutschen Provinz in den Jahren vor 1933 sucht Gustl Amricht, Kleinstädter, Zigarrenladeninhaber und Schwimmphänomen, die Nähe von Frieda Geier, erobert und...

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