Besetzung variabel, 3 Spieler:innen
Frei zur UA
Über Jahre notierte Thomas Brasch Ideen, Überlegungen, Regieanweisungen, Szenen und eine Erzählung für eine mögliche Umsetzung von Eulenspiegel auf der Bühne, beginnend im Sommer 1972. Im Herbst 1972 dann die Notiz zur Reaktion auf das Exposé für die VEB Schallplatte: Eulenspiegel dürfe nicht zu sehr Revolutiontär sein, so der Redakteur, da man sich sonst wundere, dass er nicht mit anderen Mitteln agiere als mit Streichen. 1974 notiert Brasch das Konzept, drei Schauspieler die Geschichten von Eulenspiegel erzählen zu lassen und ihre eigene Haltung mit einzubringen. 1976 ging Thomas Brasch in den Westen, seine Ausreise aus der DDR prägt auch den Umgang mit dem Stoff. »30.3.1977: Gespräch mit M und S. Beiden fällt auf, daß die Anmerkung über die Flucht der drei Schauspieler in Kunst nur die miese Seite der Medaille bezeichnet. Gleichzeitig ist sie nämlich ein Vorstoß in die Form und damit natürlich eine Chance für gesellschaftliches Verhalten. Die Beschreibung der Ohnmacht ist der Beginn ihrer Überwindung. Dabei wird mir bewußt, wie stark nach meinem Wechsel von einem deutschen Land in das andere an mich die Erwartung herangetragen wird, aus einer hermetischen Kunstwelt herauszukommen, und die Aufforderung formuliert wird, mich feuilletonistisch zu verhalten. ›Dein asketischer Kunstbegriff hat vielleicht dort funktioniert, wo du herkommst, hier ist er lächerlich …, auf Dauer wirst du um eine klare Stellungnahme nicht herumkommen.‹« Brasch benennt dieses »deutsch-deutsche Mißverständnis einer Stellungnahme, Ideologie als Ersatz für Wirbelsäule« mit Blick auf Eulenspiegel: »Kunst war nie ein Mittel, die Welt zu ändern, aber immer ein Versuch, sie zu überleben.«
Was Thomas Brasch über Jahre notiert, ist im Kern eine Poetik für jede zeitgenössische Überschreibung, ist Reflexion über die Rolle des Künstlers, auch die von Brasch selbst, in der Gesellschaft und die Möglichkeit von Kunst. Ein faszinierendes Tableau, an das sich ohne weiteres anknüpfen lässt, den vergangenen Jahren seit der Entstehungszeit des Textes und der gewandelten gesellschaftlichen Realität zum Trotz.