Als Ferienlektüre möchten wir Ihnen vier Romane und vier Stoffe für die Bühne empfehlen. Neben den Romanen von
Heinz Helle,
Uwe Johnson und
Emine Sevgi Özdamar, auch das Debüt der Autorin
Magdalena Schrefel, die für ihren Erzählungsband jüngst mit dem Robert Walser-Preis 2022 ausgezeichnet wurde.
WELLEN von
Heinz Helle
Zum zweiten Mal ist er Vater geworden. Er ist überfordert als Vater, verunsichert als Mann. Wieso fällt es ihm so schwer, sich in seine Rolle einzufügen? Und welche dunklen Seiten hat sein Mann-Sein, welches Potenzial an Wut und Gewalt schlummert in ihm? Mit seinem Kind im Arm sucht er nach Antworten und findet Momente der Liebe, der Nähe und des Glücks. Ein Roman über das Auf und Ab im Alltag eines jungen Vaters, eine Auseinandersetzung mit dem Wunder des Lebens und der Liebe zum eigenen Kind. Er erzählt von einem modernen, um Gleichberechtigung bemühten Mann in einer Gesellschaft, in der immer noch alte Ideale und Geschlechterverhältnisse vorherrschen. Heinz Helles persönlichstes Buch und ein hochpoetischer Text von großer Kraft und Aktualität.
JAHRESTAGE (Band 1 – 4) von
Uwe Johnson
Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Tag für Tag, über ein Jahr hinweg, erzählt Gesine Cresspahl ihrer zehnjährigen Tochter Marie aus der eigenen Familiengeschichte, vom Leben in Mecklenburg in der Weimarer Republik, während der Herrschaft der Nazis, in der sich anschließenden sowjetischen Besatzungszone und den ersten Jahren in der DDR. Zugleich schildert der Roman das alltägliche Leben von Mutter und Tochter in der Metropole New York im Epochenjahr 1967/1968, inmitten von Vietnamkriegs- und Studentenprotesten. In den Jahrestagen entfaltet Uwe Johnson ein einzigartiges Panorama deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert – eine Reise in die bewegte New Yorker Gegenwart des Jahres 1968 und zugleich in die Geschichte einer deutschen Familie seit der Weimarer Republik.
Alle vier Bände der Jahrestage werden in der Spielzeit 2022/23 in einem Projekt von Anna-Sophie Mahler am Schauspiel Leipzig uraufgeführt.
EIN VON SCHATTEN BEGRENZTER RAUM von
Emine Sevgi Özdamar
Nach dem Putsch 1971 in der Türkei fürchten Künstlerinnen und Künstler, Linke, Intellektuelle um ihre Existenz; auch die Erzählerin, die aus Istanbul übers Meer nach Europa flieht. Im Gepäck: der Wunsch, Schauspielerin zu werden, und das unbedingte Verlangen, den so jäh gekappten kulturellen Reichtum ihres Landes andernorts lebendig zu halten. Emine Sevgi Özdamars neuer Roman ist das vielstimmige Loblied auf ein Nachkriegseuropa, in dem es für kurze Zeit möglich schien, allein mit den Mitteln der Poesie Grenzen einzureißen. Vor allem aber ist er die wortgewaltige Eröffnung eines Raums zwischen Bedrohung und Geborgenheit, eines von Schatten begrenzten Raums.
BRAUCHBRACHE MENSCHEN von
Magdalena Schrefel
Erzählungen
Die neue Kollegin einer Sexarbeiterin ist aus Silikon. Ein Schlachtergehilfe hantiert in der »Fleischfabrik« mit hochmodernen Tötungsmaschinen. Und die Auszubildenden einer Flughafen-Security sollen verinnerlichen, dass erst regelkonformes Verhalten sie zu Menschen macht. Magdalena Schrefels Figuren stehen vor den alltäglich-absurden Herausforderungen des Spätkapitalismus – Automatisierung, Kontrolle, Prekarität – und finden überraschende Wege, mit dem Unzumutbaren umzugehen. Und sie fragen nach den Bedingungen der Entstehung von Literatur: Wie macht sie sich Menschen zunutze? Und ist Literatur Arbeit, ja, sogar systemrelevante?
»Subtil erzählt Schrefel von der Körperlichkeit des Sprechens und der seltsamen Entkörperung der Schrift.« (taz. die tageszeitung)