Lessings Ringparabel gilt im Kanon der Weltliteratur als revolutionärer Wegbereiter für aufklärerische Gedanken zu Humanismus und interreligiöser Toleranz. Doch welche Perspektiven muss man heute noch hinzufügen?
Konstantin Küspert wappnet mit einer Mischung aus klarer, heutiger Sprache und stilistischer Komplexität seinen Nathan für die Anforderungen gegenwärtiger Diskurse. In seiner Überschreibung für das Theater Regensburg fragt er sich deshalb: Greift nicht Lessings Traum einer Weltverbrüderung zu kurz angesichts eines ausdifferenzierten Pluralismus in unserer Gegenwart? Was, wenn das Nachdenken über Macht und weiße Privilegien Einzug in die Vision eines Nathans erhielte? Und was würden Recha, Daja und Sittah heute zu sagen haben im Kampf gegen patriarchale Strukturen und toxische Männlichkeit?
Die Figuren emanzipieren sich von der Vorlage und beklagen sich bei Lessing, der selbst zur Figur wird. Sie fordern Gleichberechtigung und Sichtbarkeit für ausgegrenzte...