Theatertexte aus der und über die Ukraine

01.03.2022
Beitrag zu Theatertexte aus der und über die Ukraine

Juri Andruchowytsch: Orpheus illegal

Bühnenfilm in dreizehn Szenen
Deutsch von Olaf Kühl, 2006

Andruchowytsch schickt seinen ukrainischen Orpheus in die Unterwelt der westlichen Zivilisation, in eine absurd-komische Welt der Migranten, Illegalen, Geheimagenten und Intriganten. Es ist die Welt des karnevalesken Rausches und der politischen Maskeraden, in deren Angesicht der Dichter konstatiert: »Vor unseren Augen vollzieht sich eine neue Teilung der Welt, und das Traurige ist – dies geschieht mitten in Europa.« (5 D, 8 H)

Marjana Gaponenko: Eine Post-Sowjetische Dramolett-Trilogie

2017, frei zur Uraufführung

Marjana Gaponenko hat aus ihrer Wahlheimat Wien einen distanzierten und doch vertrauten Blick auf die Ukraine, das Land, in dem sie geboren wurde. Dieses Land, das wie kein anderes dieser Größe so zerrissen bleibt zwischen der Russischen Föderation und Europa, zwischen einem geschichtlich gewachsenen wie erschütterten Beziehungsgeflecht und einem selbstbestimmten demokratischen Aufbruch. Die drei Kurz-Stücke entwickeln makaber und humorvoll, ironisch und entlarvend drei höchst präzise Szenarien, in denen es um das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland geht, das bestimmt ist von gegenseitigen Vorurteilen, der fehlenden Bereitschaft zur politischen Aufarbeitung und der gezielten Manipulation des Massenmediums Fernsehen. (3 D, 4 H)

Zbigniew Herbert: Das andere Zimmer

Deutsch von Heinrich Kunstmann, 1966

Ein Paar erwartet ein Kind – und den Tod der alten Frau, die im zweiten Zimmer der Wohnung lebt. Sie setzen einen amtlichen Brief auf, in dem sie die Zimmernachbarin auffordern, den angeblich widerrechtlich belegten Wohnraum zu räumen. Die alte Frau schließt sich in dem anderen Zimmer ein, das Paar wartet und horcht. »Der Dialog ist zerrissen, oft unnatürlich, denn es handelt sich um keine Aussagen, sondern um ein Gespräch über den Tod.«, notiert Zbigniew Herbert zu seinem atmosphärischen Theatertext über die konzentrierte Erfahrung der Existenz. (1 D, 1 H)

Serhij Zhadan: Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr

Ein Kompositions- und Librettoauftrag der Landeshauptstadt München zur Münchener Biennale 2022
in Koproduktion mit der Deutschen Oper Berlin Deutsch
Deutsch von Claudia Dathe

Serhij Zhadan nimmt die existenziellen Herausforderungen des russisch-ukrainischen Verhältnisses als Ausgangspunkt seines Librettos und entwirft darin exemplarische Flucht- und Vertreibungserfahrungen in einem Zusammenspiel von chorischen Passagen und kurzen dialogischen Alltagssituationen. Das Erleben von Spaltungen zieht sich durch alle Momentaufnahmen von Ankunft und Aufbruch. Allen Stimmen, die sich aus den Chören herausschälen, ist eins gemein – die politischen Verhältnisse haben sich in ihre Körper eingeschrieben, und egal wohin sie gehen, die Vergangenheit bleibt ihnen auf den Fersen. Serhij Zhadans pointierte rhythmische Sprachbilder entwickeln eine Poesie des Drastischen. Die Härte unserer Welt der Gegensätze wird spürbar. Das Heraufbeschwören einer Sprache der Liebe hallt hier nach, wenn der Chor verstummt ist. (Besetzung variabel)

Die Uraufführung findet am 7. Mai 2022 in der Muffathalle während der Münchener Biennale statt.
Komponist: Bernhard Gander, Regie: Alize Zandwijk.

Am 21. Mai 2022 folgt die Premiere in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin.

Serhij Zhadan, 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu den prägenden Figuren der jungen Szene in Charkiw. Er debütierte als 17-Jähriger und publizierte zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke. Für Die Erfindung des Jazz im Donbass wurde er mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis und mit dem Brücke-Berlin-Preis 2014 ausgezeichnet (zusammen mit Juri Durkot und Sabine Stöhr). Die BBC kürte das Werk zum »Buch des Jahrzehnts«. 2022 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zhadan lebt in Charkiw und ist seit Mai 2024 Soldat.
Serhij Zhadan, 1974 im Gebiet Luhansk/Ostukraine geboren, studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu...
Autorenfoto zu Serhij Zhadan
Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa (Ukraine) geboren und studierte dort Germanistik. Nach Stationen in Krakau und Dublin lebt sie nun in Mainz und Wien. Sie schreibt seit ihrem sechzehnten Lebensjahr auf Deutsch. Für den Roman Wer ist Martha? (Suhrkamp Verlag) wurde sie mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. 2016 ist ihr Roman Das letzte Rennen (C. H. Beck) erschienen. Zu den Sternen. A cosmic affaire ist ihr erstes Theaterstück, darauf folgt die Post-Sowjetische Dramolett-Trilogie.
Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa (Ukraine) geboren und studierte dort Germanistik. Nach Stationen in Krakau und Dublin lebt sie nun in Mainz...
Autorenfoto zu Marjana Gaponenko
Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Iwano-Frankiwsk/Westukraine, dem früheren galizischen Stanislau, studierte Journalistik und begann als Lyriker. Außerdem veröffentlicht er Essays und Romane. Andruchowytsch ist einer der bekanntesten europäischen Autoren der Gegenwart, sein Werk erscheint in 20 Sprachen. 1985 war er Mitbegründer der legendären literarischen Performance-Gruppe Bu-Ba-Bu (Burlesk-Balagan-Buffonada). Mit seinen drei Romanen Rekreacij (1992; dt. Karpatenkarneval, 2019), Moscoviada (1993, dt. Ausgabe 2006), Perverzija (1999, dt. Perversion, 2011), die unter anderem ins Englische, Spanische, Französische und...
Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Iwano-Frankiwsk/Westukraine, dem früheren galizischen Stanislau, studierte Journalistik und begann als...
Autorenfoto zu Juri Andruchowytsch
Zbigniew Herbert, geboren 1924 in Lemberg, erlebte als Schüler die sowjetische, dann die deutsche Okkupation und schloss sich 1943 dem polnischen Widerstand an. Seit 1956 veröffentlichte er Gedichte und Essays. Jahrelang bereiste er Italien, Frankreich und Griechenland. Herbert, der 1998 in Warschau starb, zählt zu den großen europäischen Dichtern des 20. Jahrhunderts.
Zbigniew Herbert, geboren 1924 in Lemberg, erlebte als Schüler die sowjetische, dann die deutsche Okkupation und schloss sich 1943 dem...
Autorenfoto zu Zbigniew Herbert

Stücke


5 Damen/8 Herren
Wer ist Stanislaw Perfetzki, der von Lemberg in den Westen aufbricht, in Wirklichkeit? Ein ukrainischer Dichter, der von Killern verfolgt wird und in München zufällig Zeuge einer religiösen...

3 Damen/4 Herren
Marjana Gaponenko hat aus ihrer Wahlheimat Wien einen distanzierten und doch vertrauten Blick auf die Ukraine, das Land, in dem sie geboren wurde. Dieses Land, das wie kein anderes dieser Größe so...

Grenzen sind Linien, die die Angst der Menschen nachzeichnen. Übertritt man sie, gelangt man in das Land zwischen den Grenzen, wo man belagert wird von den Dämonen der Geschichte: Hier warten zwei...

1 Dame/1 Herr
Ein Paar erwartet ein Kind – und den Tod der alten Frau, die im zweiten Zimmer der Wohnung lebt. Sie setzen einen amtlichen Brief auf, in dem sie die Zimmernachbarin auffordern, den angeblich...