Gertrud Kolmar, geb. 1894 in Berlin, bekannt vor allem als Lyrikerin, schrieb die Erzählung »Susanna« vom 29. Dezember 1939 bis zum 13. Februar 1940 - in einer Zeit völliger Entrechtung und wachsender Bedrohung - in Berlin. Ende Februar 1943 wird sie deportiert und in Auschwitz ermordet. »Susanna« ist der letzte erhaltene Text der Schriftstellerin und von ihrer Biografie nicht zu trennen. Eine ältere Erzieherin, verlassen und im nationalsozialistischen Deutschland verfolgt, erinnert sich an Susanna, ein vermeintlich gemütskrankes Mädchen, das sie vor Jahren in einem ostdeutschen Städtchen betreuen sollte. »Die eigentliche Handlung entwickelt sich in den Dialogen zwischen Susanna und ihrer Betreuerin; zwei Wirklichkeitswahrnehmungen, zwei Sprechweisen, die eine phantastisch ausgreifend, doch zugleich präzis, die andere verengt, prosaisch, vernünftig, treffen aufeinander, verstricken sich in Frage und Antwort, (...) Und auf der Schwelle von Realität und Imagination, religiöser Tradition...