Wessen Tote sind das? An die Strände der Stadt werden Leichen gespült, dorthin, wo die BürgerInnen sich sonst sonnen, Selfies schießen. Nicht der tote Bruder steht im Zentrum dieser »rekomposition«, sondern zahllose, unverwandte, anonyme, fremde Körper. Und der Chor in Thomas Köcks antigone. ein requiem fragt sich angesichts der aufgequollenen Leiber, wen diese Toten etwas angehen. Etwa ihn selbst, die BürgerInnen der Stadt, oder Kreon, den Herrscher? Das Fundament der heimischen Demokratie ist fragil und gebaut auf Steuererleichterungen für die Reichen, das weiß der Chor. Möglicherweise wird es einstürzen angesichts zu vieler fremder Leichen? Kreon zumindest will von ihnen nichts wissen, es sind nicht seine Toten. Aber Antigone fühlt sich verantwortlich: Sie packt die Körper aus den eilig herbeigeschafften Säcken und schleift sie in die Stadt. Die Diskussion um den Umgang mit den herangespülten Namenlosen, nicht Identifizierbaren, spaltet Theben.
In Thomas Köcks...
deutsch von: Lars Ole Walburg
Burgtheater
Regie: Marie Bues
Niedersächsisches Staatstheater Hannover